Mittwoch, 29. Januar 2020

Carnaval del País – Grande finale


Im Zwischenstromland von Rio Uruguay und Rio Paraná liegt das Städtchen mit dem unaussprechlichen Namen Gualeguaychú. Es gilt als das Zentrum des argentinischen Karnevals. Kleiner und weniger kommerziell aber ebenso ausgelassen und bunt wie in Rio findet hier der Umzug im Corsódromo statt. Die Mitwirkenden gehen mit ihren Besuchern auf Tuchfühlung.






Die Feierlaune währt länger als die Nacht. Während die letzten Tänzer müde nach Hause wanken, geht über dem Fluss schon wieder die Sonne auf.



Buenos Aires


Wir haben uns für das Ende unserer Reise die Capitale aufgehoben, was jeder Argentinier, jede Argentinierin zufrieden lächelnd als den Höhepunkt unseres Circuito grande interpretieren würde. Eine Lawine aus Eindrücken stürzt auf uns herein. Buenos Aires, das Paris des Südens, hat architektonisch viel zu bieten, das Lebensgefühl ist mediterran.
Die Plaza Mayo mit der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast


Die stählerne Floralis Generica von Eduardo Catalanos öffnet sich morgens und schließt sich nachts wie eine lebendige Blume.


Der Puerto Madero, die nobelste Wohngegend der Stadt


La Boca schwelgt im Punk der Arbeiterklasse. Die elende Bausubstanz der Wellblechhäuser ist grell übermalt und steigert sich im Caminito zu einer Farbhysterie, wie sie Touristen offensichtlich lieben.



Leidenschaft, Sinnlichkeit und Erotik setzt der Tango in die Sprache der Körper um. Es prickelt gewaltig, wenn der Mann seine Partnerin mit den Beinen umwickelt, sie mit dem Unterschenkel für Sekunden umklammert oder ihr das Knie in den Schritt schiebt, ehe er sie wieder freigibt und gekonnt vor sich her wirbelt. »Wenn sie nicht miteinander schlafen, fehlt ihnen die Ausstrahlung“, heißt es und „Wenn ihre Liaison zu Ende geht, ist es auch mit ihrem Tango vorbei.“ Untrennbar verbunden mit der schwermütigen Musik sind die knarzenden, seufzenden und fauchenden Klänge des Bandoneons.





Donnerstag, 23. Januar 2020

Salta - im andinen Norden


Wo Inti, die Sonne der Inkas, die Halbwüste flimmern lässt, liegt der äußerste Nordwesten des Landes, den die Argentinier Al NOA (El Noroest Argentino) nennen. Etwas mehr als eine Flugstunde trennen die Dschungelfährte des Jaguars von der Segelbahn des Kondors. Wir landen in Salta la Linda, der Schönen. Die Stadt liegt auf 1187 Metern Höhe im subtropischen Valle de Lerma inmitten der grünen Andenausläufer. An der zentralen Plaza 9 de Julio erhebt sich die prächtige Kathedrale.



Weil es tagsüber drückend heißt ist, erwacht die Stadt erst nach Einbruch der Dämmerung so richtig zum Leben. Unter den hoch aufragenden Königspalmen und gelbblühenden Jacarandabäumen genießen wir die warme Abendluft. Straßenkünstler, Musikgruppen, Tänzer, Luftballonverkäufer, eine kleine politische Demonstration und Verkaufsbuden lassen die Plaza vor Leben überquellen.



Salta bildet den Ausgangspunkt für Fahrten in die malerischen, von spektakulären Gesteinsformationen eingefassten, Quebradas. Unsere dreitägige Südrunde führt uns zuerst in die Halbwüste des 75 Kilometer langen Canyon des Rio de las Conchas sowie seiner temporären Nebenflüsse.


Verschiedene Konglomerate, Sandsteine, Silt- und Tonschichten verleihen der Schlucht ihren Formen- und Farbenreichtum. Während der Talboden grün, bewachsen von hitzebeständigen, stacheligen Gewächsen ist, dominiert in den hitzestarrenden Hängen die Farbe Rot. Unsere Fotostopps sind ganz schön anstrengend. Das Thermometer des Autos zeigt 36 Grad.




An den Miradores warten Indios auf die Fremden, um diesen ihre Handwerksprodukte anzubieten.



Kurz vor Cafayate treten die Berge zurück und machen ausgedehnten Weingütern Platz. Die Region zählt zu den höchstgelegenen Weinanbaugebieten der Erde, reichen diese doch bis auf 3000 Meter Seehöhe hinauf. Der Winzerort, dessen Name der Sprache der Cacano-Indios entnommen ist und „Wo man die Sonne begräbt“ bedeutet, kann auf eine durchgehende Weintradition bis in die Zeit der Jesuitenmissionen verweisen. Die Geistlichen sprachen hier bereits im 17. Jahrhundert dem selbst gekelterten Wein zu. 


Am zweiten Tag unserer Fahrt erreichen wir wieder einmal die legendäre Ruta Nacional 40, die hier ihrem Image von einer Abenteurerstrecke durchaus gerecht wird. Die Schotterpiste verlangt vom Fahrer volle Konzentration. Im wilden Tal des Río Calchaquí wurden die Starwars-Szenen gedreht, die auf dem Wüstenplaneten Tatooine spielen.


Immer wieder tauchen überraschend Kirchlein in der Einöde auf. Während die Menschen in den Weilern viele der Adobehäuser offensichtlich verlassen haben, harren die Heiligen in ihren liebevoll instandgehaltenen Gotteshäusern aus.


Unsere überaus freundliche Unterkunft in Cachi


Wird man in geselliger Runde zu einem Mate Jerba eingeladen, tut man gut daran, das bittere Getränk nicht abzuweisen. Die Zeremonie ist nämlich als eine Art Freundschaftsangebot aufzufassen. Ein noch keine zwei Jahre altes Kind ist mit von der Partie und scheint das gesüßte Getränke zu lieben. Die anderen müssen warten, bis der Becher endlich freigegeben ist.


Am dritten Tag unserer Fahrt reihen sich die landschaftlichen Höhepunkte in ununterbrochener Reihenfolge aneinander. Die lange, gezackte Sandsteinformation in den Hängen des Cerro Tintin wirkt wie eine stehende Brandung, deren Brecher immer neue Farben ausschütten. Da schwingen sich dunkles Weinrot, Olivgrün, Ocker, bleiches Weiß, Grau, Gelb und Dunkelgrün ins Land. Zudem erleben wir ein kleines Wunder. Die Wüste blüht!


Offenbar fallen die Niederschläge heuer ergiebiger aus, denn die endemische Wildform der Amaryllis, die heute einen gelben Teppich auf die steinerne Ebene legt, blüht nur in besonders regenreichen Jahren.


Im Parque Nacional Los Cardones folgt die Recta de Tintin, eine 8 Kilometer lange Gerade, die direkt in einen Kakteenwald führt. Der Vergleich mit einem Nadelkissen drängt sich auf. Die gelben Austriebsspitzen der Kandelaberkakteen schimmern im Gegenlicht tatsächlich wie Kerzen.




Am Pass Piedra del Molino (3548m) ändert sich die Szenerie schlagartig. Der 5012 Meter Cero Negro hemmt den weiten Blick und schenkt dem Auge urplötzlich die Farbe Grün. Von nun an wird die Landschaft hochalpin.


Doch bevor wir die Bergstraße in Angriff nehmen, wartet noch das Valle Encantado, das „Verwunschene Tal“ auf uns. Sanfte Almen, unterbrochen von leuchtend roten Felsgruppen laden zum Wandern ein.



Über die Cuesta del Obispo stürzt die Straße in einem steilen Zickzackkurs 2200 Meter hinunter in das weite Hochtal von Salta. Die Strecke ist unübertroffen schön, in ihrer majestätischen Kulisse am ehesten mit der Dalsnibba Norwegens zu vergleichen.


Auch der Norden Saltas lädt zu einer beeindruckenden Fahrt ein. Die Quebrada Humahuaca ist seit 2003 UNESCO-Weltnaturerbe.
Die Paleta del Pintor (Palette des Malers) oberhalb des Dorfes Maimará.



Wenngleich das 2500 Meter hoch gelegene Tilcara eindeutig ein Traveller-Zentrum ist, hat es sich viel von seinem ursprünglichem Flair erhalten. Dies liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung zu überwiegenden Teilen aus Indigenas besteht. Die Colla sind kleinwüchsige Indios mit gedrungenem Körperbau. Ihr Verhalten den Fremden gegenüber ist reserviert aber durchaus freundlich. Der gesamte Ort gleicht einer Ausstellung volksnaher Graffitikunst.







Freitag, 17. Januar 2020

Iguazú - Wo die großen Wasser rauschen



Natürlich strebt im Nationalpark Iguazú jeder Schritt, den man tut, den Wasserfällen zu. Dennoch sollte man hier den Weg zum Ziel machen. Das große Wasser kommt ohnehin – man hört es von Beginn an. Wir geben uns genussvoll dem engen Blick hin, den der Dschungel uns gewährt: Rauf und runter, rückwärts, seitwärts, hinein und hinaus – man könnte schwindlig werden.


Dichter Urwald fasst die Kaskadenfront ein, beleuchtet einzig von Schmetterlingen, denn die Farbenpracht von Blumen fehlt dem Halbdunkel.




Auf dem Passeo Inferior gelangen wir zu einer Kette von Wasserfällen. Sie tragen Namen, die ihrem Erscheinungsbild entsprechen: Salto dos Hermanas (Fall der zwei Schwestern), Salto Chico (Jungchen – heute ein kleines Rinnsal), Salto Bosetti (weiß und ruhig), Salto Adán y Eva (letzterer sanft und freundlich). Für die nächsten stehen bedeutungsvollen Persönlichkeiten Pate: Salto Bernabé Méndez, Salto Mbiguá und Salto San-Martín (ein quirliger Schwall, als wäre jemandem der Wasserschlauch ausgekommen).



Überall, wo sich Touristen stärken, treiben sich vorwitzige Nasenbären herum. Obwohl Parkwächter vor den bissigen Kerlen warnen und auf das Fütterungsverbot achten, finden diese immer wieder eine Möglichkeit, sich etwas von den Tischen oder aus den Rucksäcken zu schnappen. Dass auch in Zukunft hier niemand auf den Spaß mit den Nasenbären verzichten muss, zeigt die Hundertschaft an Jungs und Mädels aller Altersklassen, die von ihren Eltern von Kindesbeinen an lernt, dass die einzige Daseinsberechtigung von Menschen in ihrem Territorium diejenige ist, diese zu beklauen.



Zu Mittag ist es im Park brütend heiß. Glücklicherweise gibt es den Tren Ecológico de la Selva, der uns zum Beginn der Stege zur Abbruchkante des Garganta del Diablo bringt. Schon von weitem ist die Donnerstimme des Teufelsschlundes zu vernehmen. Während wir bequem über den zu einem stillen See geweiteten Fluss schreiten, vorbei an seinen friedlichen Inseln mit prächtigen Vögeln, können wie uns kaum vorstellen, welche Gewalt das Wasser wenige Meter vor uns entfalten wird.



Eine mächtige Dunstwolke kündigt die U-förmige, 150 Meter breite und 700 Meter lange Abbruchkante an. Wer zählt den Tropfen, wer die Momente des Hochgefühls angesichts solcher Naturgewalt? Im mächtigsten Wasserfall der Erde stürzen auf einer Länge von 2,7 Kilometern bis zu 20.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Tiefe. Nur Afrikas Victoriafälle sind höher, aber um einiges schmäler. Die Niagarafälle Nordamerikas können in einem Vergleich mit den 20 großen und 255 kleineren Wasserfällen von Iguazú auch nicht mithalten.


Von der brasilianischen Seite aus sieht man die Iguazu-Wasserfälle auf einen Blick. Es zahlt sich also aus, die Warterei an der Grenze in Kauf zu nehmen und der Kaskade noch einmal die Aufwartung zu machen, zumindest glauben wir das. Bald stellt sich heraus, dass hier alles anders ist. Mondän die Anlage, hohes Preisniveau, statt Dschungel ein parkähnliches Gelände, kaum Tiere dafür umso mehr irrsinnige Touristen, die nichts anderes im Sinn haben, als mit hunderten Selfiefotos rasch wieder nach Hause zu kommen. Von nun an gibt es kein Entkommen mehr, denn einmal in das Geschiebe eingereiht, muss man mit. Verschwitzte Leiber reiben aneinander, Ellbogen stoßen und Smartphones verdecken die Sicht auf die Kaskade.


Wir fragen uns, ob einer der Drängler den Wasserfall wirklich wahrnimmt.


Am Ausgang des Parks angelangt, beginnt es unvermittelt zu schütten. Die geöffneten Schleusen stellen rauschend klar, woher das Wasser der Kaskade kommt. Es ist ein Geschenk des Himmels.